Betrüger bei Kaffeefahrt zur Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt

 

Das Amtsgericht Memmingen hat am 09.11.2009 den Verkäufer eines Nahrungsergänzungsmittels Hercugen bei einer Kaffeefahrt zur Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt (Az.: 21 C 689/09). Zur Begründung führt das Gericht aus:

 

„Tatbestand:

 

Die  Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages.

 

Der Kläger erhielt Anfang Februar ein Gewinnschreiben von dem Buchungsservice Arkadius Nimmerfroh, Postfach 9010, 26138 Oldenburg, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er 2.500,00 Euro gewonnen habe, die ihm bei einer Busfahrt am 25.02.2009 ausbezahlt werden sollten. Der Kläger meldete sich zu dieser Busfahrt an und nahm am 25.02.2009 daran teil. Die Busfahrt führte zur Gaststätte „Zur Krone“, Heimertinger Str. 26, 87700 Memmingen. Dort fand eine Verkaufsveranstaltung statt, in der der Beklagte das Mittel Hercugen spezial zu einem Kaufpreis von 1.348,00 Euro anbot.

 

Der Kläger kaufte dieses Mittel und bezahlte 10,00 Euro in bar sowie 639,00 Euro mit seiner EC-Karte. Das Geld wurde auf das Konto des Beklagten gebucht.

 

Mit Schreiben vom 04.03.2009 hat der Kläger gegenüber der Firma Biolind den Kaufvertrag widerrufen. Der Beklagte hatte zuvor das Mittel im Namen der Firma Biolind verkauft.

 

Nachdem der Kläger zur Rückzahlung gegenüber der Firma Biolind mit Schreiben vom 11.03.2009 und 23.03.2009 aufgefordert hatte, forderte sodann der Prozessbevollmächtigte des Klägers durch Schriftsatz vom 08.04.2009 den Beklagten zur Rückzahlung des bereits bezahlten Kaufpreises auf.

 

In der niederländischen Handelskammer ist nur eine Firma Biolind B.V.i.o., das heißt in Oprichting eingetragen. Deren geplante Tätigkeit ist nur auf die Organisation von Reisen, nicht aber auf den Verkauf von Medizin gerichtet.

 

Für die Schulden einer B.V.i.o. haftet derjenige, der in ihrem Namen handelt, mit seinem eigenen Vermögen.

 

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe das Mittel als medizinisches Wundermittel angepriesen. Er habe behauptet mit Hercugen würden verlorene Enzyme und Hormone im Körper wieder produziert und damit die Alterung verlangsamt. Das Mittel beseitige Ablagerungen in Blutgefäßen. Man müsse es 180 Tage lang alle zwei Tage nehmen, dann solle die Wirkung 10 Jahre lang andauern.

 

Die Firma Biolind, die als Verkäuferin von dem Beklagten benannt wurde, sei tatsächlich eine Briefkastenfirma, und der Beklagte selbst macht die Geschäfte.

 

Weiter behauptet der Kläger, bei dem Mittel Hercugen handele es sich um ein einfaches Nahrungsergänzungsmittel. Dieses habe keine positiven gesundheitlichen Wirkungen. Das Mittel Hercugen spezial würde hergestellt von der Firma Wichmann und Stiefel GmbH und zwar exklusiv für die Firma Sleep & More, die das Mittel für 38,32 Euro einkauft und für 46,73 Euro weiterverkauft.

 

Der Beklagte bestreitet, dass er das Mittel als Wundermittel angepriesen habe. Er führt aus, er habe die von dem Kläger angeführten Behauptungen im Rahmen der Veranstaltung nicht getätigt. Er bestreitet, dass er bewusst unrichtige Angaben gemacht habe und erklärt, er habe dem Mittel keine Wirkung zugeschrieben, die es tatsächlich nicht habe. Das Mittel sei nicht wirkungslos.

 

Außerdem bestreitet er, dass der übliche Marktpreis des Mittels 46,73 Euro beträgt.

 

Er behauptet, Vertragspartner des Klägers sei die Firma Biolind. Der Beklagte habe nur im Auftrag der Firma Biolind gehandelt. Die Firma Biolind sei existent.

 

Außerdem behauptet er, er habe die Anzahlung des Klägers unverzüglich an die Biolind weitergeleitet.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

 

Das Amtsgericht Memmingen ist gem. § 32 ZPO örtlich zuständig, da der Kläger Tatsachen behauptet hat, aus denen bei rechtlich zutreffender Würdigung eine unerlaubte Handlung folgen würde.

 

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung der 649,00 Euro verauslagten Kaufpreises für das Mittel sowie entstandener Rechtsanwaltskosten zur Rechtsverfolgung gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB.

 

§ 263 Abs. 1 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB. Gegen dieses Schutzgesetz hat der Beklagte vorsätzlich verstoßen.

 

Der objektive und der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB sind erfüllt.

 

Der Beklagte hat den Täter über Tatsachen getäuscht. Er hat das Mittel als medizinisches Wundermittel angepriesen, mit dem verlorene Hormone und Enzyme im Körper wieder produziert und die Alterung verlangsamt werden. Ablagerungen in Blutgefäßen würden beseitigt. Dies alles würde bereits dann eintreten, wenn das Mittel 180 Tage lang alle zwei Tage genommen wird, die Wirkung würde dann 10 Jahre lang andauern.

 

Hiermit hat er falsche Tatsachen vorgespiegelt, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Tatsächlich handelt es sich bei dem Mittel um einfaches Nahrungsergänzungsmittel, das keine positiven gesundheitlichen Wirkungen hat.

 

Das Gericht musste insoweit von dem Vortrag des Klägers als richtig ausgehen, ohne dass es einer Beweisaufnahme bedurft hätte. Der Beklagte hat nämlich die vom Kläger behaupteten Tatsachen nicht gem. § 138 Abs. 2 ZPO wirksam bestritten. Der Kläger hatte substantiiert behauptet, was der Beklagte in der Verkaufsveranstaltung geäußert hat. Auch hat er substantiiert zu den Wirkungen des Mittels Stellung genommen, und deren Inhaltsbestandteile aufgelistet. Insoweit oblag nunmehr dem Beklagten die Pflicht, sich substantiiert zu den Vorbringen des Klägers zu äußern. Diese Verpflichtung traf ihn insbesondere auch deshalb, da der Beklagte alle wesentlichen Tatsachen kannte und es ihm zumutbar war, nähere Angaben zu seinen Äußerungen und die Wirkungen des Mittels zu machen (vgl. Zöller § 138 Randnr. 8 a, 10 a).

 

Statt dessen hat jedoch der Beklagte lediglich jeweils den Vortrag des Klägers bestritten. Er hat bestritten, dass das Mittel als Wundermittel angepriesen wurde. Er hat gesagt, er habe nicht behauptet, das Mittel würde verlorene Hormone und Enzyme im Körper wieder produzieren und die Alterung verlangsamen. Er hat behauptet, er habe damals nicht behauptet, das Mittel würde Ablagerungen in Blutgefäßen beseitigen, die Wirkung würde 10 Jahre andauern, nachdem das Mittel 180 Tage lang alle zwei Tage genommen wurde. Er habe dem Mittel keine Wirkung zugeschrieben, das es tatsächlich nicht hat und das Mittel sei nicht wirkungslos.

 

Dem Beklagten oblag jedoch die Substantiierungslast, zu behaupten was er tatsächlich in den Verkaufsverhandlungen gesagt hat und welche Wirkungen das Mittel tatsächlich habe. Hierzu hat er jedoch überhaupt keine Ausführungen getätigt. Aus diesem Grund war sein alleiniges Bestreiten unbeachtlich.

 

Der Beklagte hat durch diese Täuschung einen Irrtum über die Wirkungen des Mittels bei dem Kläger erregt.

 

Diese Täuschung und die Irrtumserregung waren auch kausal für die dann erfolgte Vermögensverfügung durch den Kläger, indem er an den Beklagten 649,00 Euro in bar und als Verfügung der EC-Karte verfügte.

 

Hierauf kausal basiert auch der Vermögensschaden des Klägers darin, dass er für die geleisteten 649,00 Euro nur ein wirkungsloses Mittel, das tatsächlich nur einen Marktpreis von ca. 46,73 Euro hat, erhalten hat. Seine Leistung steht damit außer Verhältnis zu der Gegenleistung.

 

Auch hiervon musste das Gericht ausgehen, da der Beklagte den Vortrag des Klägers nicht substantiiert bestritten hat. Der Kläger hat behauptet, das Mittel würde von der Firma Sleep & More für 38,32 Euro eingekauft und für 46,73 Euro weiterverkauft. Diesen Vortrag hat der Beklagte nur damit bestritten, dass er vortrug, dass der übliche Marktpreis nicht 46,73 Euro betrage. Der Beklagte musste jedoch als Verkäufer des Mittels dessen Marktpreis kennen und diesen substantiiert behaupten.

 

Der Beklagte handelte auch vorsätzlich, da ihm die Wirkungen und der Kaufpreis des Mittels bekannt sein mussten, sowie in der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung.

 

Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagte tatsächlich für sich oder für die Firma Biolind, soweit existent, hier einen Vorteil erreichen wollte, da § 263 Abs. 1 StGB die Bereicherungsabsicht für sich oder auch zu Gunsten eines Dritten vorsieht. Auch die Voraussetzungen der Stoffgleichheit sind gegeben, da der Vermögensschaden des Klägers in Höhe von 649,00 Euro unmittelbar zu einem Vermögensvorteil entweder des Klägers oder der Firma Biolind geführt hat. Auch liegt die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit vor, da der Beklagte bzw. die Firma Biolind keinen fälligen und einredefreien Anspruch gegen den Kläger auf Leistung hatten.

 

Der Beklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

 

Der Kläger hat damit einen Anspruch auf Zahlung des Schadens in Höhe von 649,00 Euro sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gem. § 249 Abs. 1 BGB.

 

Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.“